Seit Ende letzten Jahres hat Israel eine neue Regierung. Die Mehrparteienkoalition unter Führung von Benjamin Netanyahu bedeutet einen Rechtsruck. Die geplante Justizreform bringt Hundertausende auf die Straße, die Gewaltenteilung, einer der Grundpfeiler des Rechtsstaates, ist in Gefahr.
Der Alarm wird erst richtig schrill, wenn man sich die Minister und Programme der Juniorpartner dieser Regierung ansieht. Da gibt's vorbestrafte Militante aus der Siedlerbewegung, Ultrarechte, welche von einem Großisrael träumen, religöse Fanatiker, die das Land in einen rein jüdischen Gottesstaat transformieren wollen, Homophobe und Antiliberale.
Das alte, linksliberale Israel mit seinen westlich-europäischen Wurzeln droht den demographischen Wandel zu verlieren, das Land droht dauerhaft in die Hände von Extremisten zu fallen. Noch ist es nicht soweit, Netanyahu und seine Likudpartei haben, bei aller berechtigten Kritik, immer noch ihre Basis im Bürgertum.
Dennoch muss Deutschland und Europa seine Haltung zu Israel überdenken, weil man in eine moralische Zwickmühle gerät. Zum Einen steht man in einer historischen Schuld weshalb Israels Sicherheit deutsche Staaträson ist, wie die damalige Bundeskanzlerin Merkel verlautbaren ließ. Andererseits ist man der liberalen westlichen Wertegemeinschaft verpflichtet und hat sich eine feministische Außenpolitik auf die Fahne geschrieben. Und schon der Documenta-Skandal letztes Jahr hat gezeigt, wie schwer sich der deutsche Polit- und Feuilleton-Betrieb bei dieser Frage tut.